bleiben

Predigt zu Matthäus 26,38 und Ruth 1,16

Ruth Oppliger, 19. März 2023

Veränderig macht ds Läbe us, Abschied u Neuafang, Cho u Go. Gäng wieder dörfe mir üs uf unbekannti Situatione ilo, müesse Verletzige u Afindige erläbe. Flexibilität u Apassigsfähigkeit isch gfrogt. Uf dr Suechi nach Neuem u Besserem loufe mr schnäuer u schnäuer, witer u gäng witer, ohni Ungerbruch.

Bi auem Umbruch, i dr ganze Bewegig, isch zwüschine ou ds Innehaute wichtig. Bleiben. Hüt wei mr drum über ds Bliibe nochedäiche. Bliibe schto u abwarte, i Töifi go, nach ine luege, standhaft si. Eifach do si, bi sich, u Ateu nä am Läbe vo angerne, Glück teile u Truur häufe ushaute.

Ruth 1,16: Sie bleibt bei ihr

«Wo du blibsch, bliibeni ou!» Das isch ä wunderbari Ussag. Hüfig wärde di Wort aus Trouvärs gwünscht. Di Zile beschriibe äs Verspräche vore jungi Frou, aber si seits nid zu ihrem Partner oder zur Partnerin. Nei, si verspricht das ihrer Schwiegermueter, im Buech Ruth 1,16.

Das Buech Ruth usem AT isch öppe um 500 v. Chr. verfasst worde. Nar Niederlag gäge ds babylonische Riich, isch d Oberschicht vom Volk Israel nach Babylon verschleppt worde, wäg vo Jerusalem id Frömdi. 50 Johr hei si dert müesse usharre. Öppe 537 si si wieder zrugg cho id Heimat. Aui, wo doheim si gsi während der Zyt u die, wo si im babylonische Exil gsi, hei jetz, mit ihrne ungerschiedleche Erfahrige, wieder müesse zu eim Volk zämefinge.

Zu der schwierige Situation isch im Land Juda, wo Bethlehem derzue ghört, ä grossi Hungersnot usbroche. So chunnts derzue, dass d Noomi, ihre Ma dr Elimelech u d Söhn Kilion u Machlon si is frömde Land Moab usgwanderet. Langsam u beschwärlech hei si sech dert ä neui Existenz ufboue.

U wieder schteut se ds Läbe vorne neui Ufgab. Äs grosses Unglück passiert: dr Ehema u Vater Elimelech stirbt. D Noomi wett jetz wieder zrugg id Heimat uf Bethlehem. Aber ihri Söhn, inzwüsche erwachse, hei beid ghürate gha: Froue usem Land Moab. Si heisse Orpa u Ruth. Drum wei si nid zrugg. So bliibt haut d Noomi ou dert.

Ä witere, herte Schicksausschlag trifft d Familie, dr Kilion u dr Machlon stärbe churz nachenang. Di drei Froue si jetz aui Witwe. D Noomi isch isch jetz fescht entschlosse, us Bethlehem zruggzgo. Ihri Schwiegertöchtere bittet si, heizgo i ihres Muterhuus. Während d Orpa tatsächlech zu ihrer Familie geit, wott d Ruth d Noomi nid äleini lo, si seit: «Wo du hingehst, da will auch ich hingehen, wo du bleibst, da bleibe auch ich. Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott.»

D Ruth geit mit ihrer Schwiegermueter zrugg id Heimat.

Nach em Verluscht vo ihrne Manne, füehre di zwo Froue ä Überläbenskampf. Si dörfe aus armi Alleinstehendi uf de Getreidefäuder ds Bethlehem Ähri zämeläse. D Noomi u d Ruth gö ufs Fäud vom Boas, eme Verwandte vor Noomi. D Ruth, di Frömdi us Moab, hüratet  schliesslech dr Boas u si hei de zäme ä Sohn, dr Obed. So wird d Ruth zur Urgrossmueter vom Chünig David u dermit zur Stammmueter vom Huus Israel, wo später Jesus drus gebore wird.

D Noomi u d Ruth müesse viu Veränderig, ungerschiedlechi Abschiede u Neuafäng erläbe. Si erläbe Chrieg u Hunger, si chöme je vor Heimat ines frömds Land. Si verlüüre Manne u Söhn. U si bliibe. Si bliibe binenang. Beide si einzeln schtarchi Froue. Si läbe Fründschaft u Solidarität ungerenang. Zäme chöi si überläbe u nach neue Perspektive sueche. D Ruth bliibt, si bliibt bir Schwiegermueter u wird Teu vore neue Gmeinschaft ds Bethlehem.

Matthäus 26,38: Jesus im Garten Getsemane. Bleiben sie bei ihm?

Mir mache ä Gump u luege uf Jesus, ds Jerusalem, 500 Jahr später. «Da kommt Jesus mit ihnen an einen Ort namens Getsemani und sagt zu den Jüngern: Bleibt hier sitzen, solange ich weg bin und dort bete. Und er nahm Petrus und die 2 Söhne des Zebedäus mit sich, und er wurde immer trauriger und mutloser. Da sagt er zu ihnen: Meine Seele ist zu Tode betrübt, bleibt hier und wacht mit mir. Und er ging ein wenig weiter, fiel auf sein Angesicht und betete: mein Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber. Doch nicht wie ich will, sondern wie du willst. Und er kommt zu den Jüngern zurück und findet sie schlafend. Und er sagt zu Petrus: Vermochtet ihr nicht eine Stunde mit mir wach zu bleiben?»

Hie bittet ä verzwiiflete Mönsch um Biischtang. Jesus gseht si Tod cho. Är bittet sini Fründe, wo mit ihm ufem Ölbärg si, z bliibe u z wache. Jesus het Angscht. Ou ihm hiuft am meischte, we öpper a sir Site bliibt, mit ihm d Not ushautet, mit ihm liidet u hoffet.

Sini Jünger schlofe aber i, während är, chli entfernt, bätet. Jesus reagiert enttüscht. D Jünger bliibe nid wachsam, si verschliesse d Ouge. U mir wüsse, si wärde sech de später go verstecke. D Froue begleite Jesus ufem Wäg as Chrüz.

Jesus isch dr Sohn vo Gott u wahre Mönsch. Ou är chunnt nid am Tod verbi. Di Liidensgschicht zeigt üs d Ohnmacht vor göttleche Schöpfigsmacht. U si zeigt vor auem, dass Jesus, dass dr ohnmächtig Gott mit üs Mönsche isch. I jedem Liide, bis i Tod bliibt Gott, isch grad im Usglieferetsi u i Schwächi a üser Site.

Lasst uns bleiben!

Si mir ou wi di müede Jünger, wone d Ouge zugheie? Sicher si mir aui hüfig überforderet, mitzliide. Äs isch bsungers schwär uf d Liidensgschicht vo Jesus z luege, uszhaute, dass er säuber machtlos isch. Agnähmer isches natürlech scho Wundergschichte, wo äs guets Änd nä, z ghöre. U di gits natürlech ou.

Dr Tod, ds Leid, d Ungrächtigkeit si ä Realität. Äs isch ä Useforderig, dass mir häreluege, we öpper i Not isch oder ungrächt behandlet wird. Eifacher isches, dr Chopf wägzdräie oder ömu nume ä flüchtige Blick z riskiere, für de wieder zur Tagesornig überezgo.

Wases für mi im Läbe bruucht, das isch d Fähigkeit zur Standhaftigkeit u Gradlinigkeit. Äs brucht Mönsche, wo handle. Äs git so viu Situatione, wo jedi u jede vo üs öpperem, wo Hiuf brucht, cha Ungerstützig gä.

Bliibe cha reagiere bedüte u sech isetze gäge Ungrächtigkeit. Bliibe cha ushaute bedüte: vor Angscht, vor Truurigkeit, Abschied u vom Tod. Uf jede Fau: bliibe cha häufe.

Hilde Domin: Ziehende Landschaft

Man muss weggehen können
Und doch sein wie ein Baum:
Als bliebe die Wurzel im Boden,
als zöge die Landschaft
und wir ständen fest.

Man muss den Atem anhalten,
bis der Wind nachlässt
und die fremde Luft um uns
zu kreisen beginnt,
bis das Spiel von Licht und Schatten,
von Grün und Blau,
die alten Muster zeigt
und wir zuhause sind,
wo es auch sei,
und niedersitzen können
und uns anlehnen,
als sei es an das Grab
unserer Mutter.