Innehalten

«There’s a crack in everything. That’s how the light gets in.»

Diese Liedzeile aus Leonard Cohens «Anthem» steht als Anregung über dem Kirchensonntag vom 5. Februar 2023: «Da ist ein Riss in allem. Das ist der Spalt, durch den Licht einfällt.» Einen berühmten solchen crack gibt es in den Alpen, an der Grenze zwischen Glarus und Graubünden. Durch das 19x22m grosse Martinsloch scheint die Sonne an wenigen Tagen im März und September jeweils etwa zwei Minuten lang auf den Elmer Kirchturm. Die Sonne verschwindet danach für knapp eine Viertelstunde wieder hinter dem Gebirge, bevor sie endgültig über der Bergflanke aufgeht. Das Martinsloch ist durch geologische Verwerfungen entstanden.

In den vergangenen Jahren haben unterschiedliche «Verwerfungen» oder Krisen unseren Alltag durcheinander­gebracht. Neben vielen Herausforderungen eröffnen Krisen auch Momente, in denen der gewohnte Gang unterbrochen wird, in denen Dinge in neuem Licht erscheinen und anders gewichtet werden. Es öffnet sich ein Raum, in dem wir die Möglichkeit haben, unseren Denkhorizont zu erweitern, etwas Grundsätzliches zu ändern, uns andere Lebensmöglichkeiten vorzustellen, neue Haltungen zu entwickeln – und im besten Fall anders weiterzufahren.

Wir wollen am Kirchensonntag dem Innehalten, dem Nachsinnen, den neuen Perspektiven und den hoffnungsvollen Ideen Raum geben: Gedanklich einen Schritt zurück­treten und in einer inneren Haltung der Offenheit auch Gottes Geist wahrnehmen. Und uns davon ermutigen, inspirieren und tragen lassen. Den «Riss» offenhalten, damit neues Licht einfallen, Gottes Geist wirken, unerwartet Neues entstehen kann. Im Lukas-Evangelium wird von Hanna berichtet, einer Prophetin, der im hohen Alter unerwartet etwas Neues begegnet (Lukas 2,36-38):

Und da war eine Prophetin, Hanna, eine Tochter Phanuels, aus dem Stamm Asser, die war schon hochbetagt. Nach ihrer Zeit als Jungfrau war sie sieben Jahre verheiratet und danach Witwe gewesen bis zum Alter von vierundachtzig Jahren. Sie verliess den Tempel nie, weil sie Tag und Nacht Gott diente mit Fasten und Beten. Zur selben Stunde trat auch sie auf und pries Gott und sprach von ihm zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten.


Diesem Erlebnis spüren wir im Gottesdienst nach. Der Gottesdienst zum Kirchensonntag wird traditionellerweise von Freiwilligen vorbereitet und von Gruppen mitgestaltet, die auch das Leben der Kirchgemeinde mitprägen. Das Ensemble Stimmlisch, das regelmässig die ökumenischen Taizé-Gottesdienste mitgestaltet, wirkt auch am Kirchensonntag mit.

Halten auch Sie einen Moment inne, lassen Sie etwas Licht durch den Riss scheinen, bevor Sie ihn wieder zukleben, und geniessen Sie Leonard Cohens Anthem: