Menschen in der Sozialberatung, 04.06.2020

(Es handelt sich hier um anonymisierte Berichte von Beratungssituationen. Die Namen der Klient/innen sind jedoch geändert und die Problemstellungen generalisiert.)


Zum Beispiel Paula…

Mitte April erreichte mich die telefonische Anfrage der hörbar verzweifelten Paula, die als Putzfrau bei verschiedenen Privathaushalten angestellt ist:  Paula arbeitet im Stundenlohn. Das monatliche Einkommen war immer schon knapp. Je nach Aufträgen (Ferienabwesenheit Arbeitgeber) manchmal besser, manchmal schlechter. Es war schon bisher kaum möglich, ein finanzielles Polster für den Ausgleich dieser monatlichen Schwankungen anzusparen. Und jetzt mit Corona? Grundsätzlich dürfen Putzfrauen laut Verordnung vom Bundesrat unter Einhaltung der Hygienevorschriften in Privathaushalten weiter arbeiten. Die Realität sieht jedoch anders aus. Manche Arbeitgeber verzichten aus Angst vor einer Ansteckung auf die Putzdienste, andere haben jetzt mehr Zeit und können vorübergehend ihre Haushaltung selber besorgen. Für Paula bedeutet dies ab Mitte März einen massiven Lohnausfall. Paula geriet in kürzester Zeit in eine existenzielle Notlage. Wer hilft? Bekommt sie Unterstützung vom Staat?  Paula ist damit nicht allein. Tausende Reinigungskräfte sind wegen der Coronakrise von  Lohneinbussen betroffen. Meine Aufgabe ist es nun, zu klären ob Paula, die als Putzfrau für diverse Privathaushalte arbeitet, Anspruch auf Gelder der staatlichen Soforthilfemassnahmen hat.   Der Fall ist komplex und es gibt noch keine eindeutige Antwort. Zum RAV kann Paula nicht, weil ihr ja nicht gekündigt wurde. Es wird empfohlen,  dass die privaten Arbeitgeber für die kleinen Pensen Kurzarbeit anmelden sollen, die rechtliche Situation sei hier jedoch noch unklar. Rechtlich klar scheint zu sein, dass die Lohnfortzahlungspflicht gilt, wenn in den Verträgen der Stundenlohn mit einer vertraglich vereinbarten Regel-Stundenzahl definiert wurde. Ob dies die betroffenen Arbeitgeber wissen? 

In der Sozialberatung können oft nicht alle Fragen sofort beantworten werden, die Abklärungen brauchen Zeit. Ich kann aber verbindlich da sein für die Betroffenen und dran bleiben, bis mit ihnen zusammen Lösungen gefunden sind. Das Schicksal von Paula und all den anderen Menschen, die in dieser Krise ihre Einkommensgrundlage verloren haben, bewegt und macht traurig. Einmal mehr trifft es diejenigen am härtesten, die es sowieso schon schwer haben. Menschen in prekären Arbeitssituationen, deren Nöte in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden, weil sie keine Lobby haben. Aus Angst vor dem Arbeitsplatzverlust halten sie sich still und verzichten nicht selten auf gerechtfertigte Forderungen. Um solche Schicksale sichtbarer zu machen, werde ich ab und zu von meinem Sozialberatungsalltag berichten.

 

Judith Osterberger

Sozialarbeiterin

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judith.osterberger@ref-kirche-burgdorf.ch