Menschen – Punkt.

Predigt zu 2. Korinther 3,3-6
Sonntag, 13. Oktober 2024

Pfrn. Anne-Katherine Fankhauser

 

Was macht eine Kirchgemeinde aus?

Wir könnten sagen: Unsere wunderschöne Stadtkirche macht die Kirchgemeinde aus. Oder die Mitarbeitenden und vielen Freiwilligen und Ehrenamtlichen machen unsere Gemeinde aus. Das ist ein bisschen richtig und dennoch so ganz falsch.

Was eine Kirchgemeinde hier im Kanton Bern ist, steht in der Kirchenordnung unserer Kantonalkirche. Da steht: «Die evangelisch-reformierten Kirchgemeinden, als Teil der weltweiten Christenheit, vereinigen die auf ihrem Gebiet wohnenden Mitglieder der evangelisch-reformierten Kirche.»

Eine Kirchgemeinde sind Menschen. Punkt. Sind wir alle.

Im zweiten Korintherbrief erinnert Paulus daran, was es bedeutet eine christliche Gemeinde zu sein. Um den Predigttext zu verstehen, müssen wir kurz auf Paulus und seine Mission zurückblicken. Paulus ist im östlichen Mittelmeerraum viel unterwegs: In den Jahren zwischen etwa 50 bis wohl 59 oder 60 n. Christus. Etwa im Jahr 50 trifft er in Korinth ein. Dort gibt dort schon eine „Christus-Gruppe“.

Korinth ist damals eine „Multi-Kulti-Stadt“: Es leben dort Frauen und Männer, Reiche und Arme, Junge und Ältere, Sklaven und Freie, Jüdinnen und Heiden. Ein Teil dieser sehr unterschiedlichen Menschen wächst mit der Zeit zu einer christlichen Gemeinde zusammen. Paulus lebt etwa 1 ½ Jahre in der Stadt. Danach bleibt in brieflichem Kontakt. So erfährt er, dass andere Missionare in Korinth aktiv sind. Sie behaupten missionieren zu dürfen, weil sie Empfehlungsschreiben bei sich haben. Paulus wittert darin eine Gefahr.

Ja, es ist offensichtlich: Ihr seid ein Empfehlungsschreiben, das von Christus kommt. Zustande gekommen ist es durch unseren Dienst. Es wurde nicht mit Tinte geschrieben, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes. Es steht auch nicht auf Steintafeln, sondern auf Tafeln aus Fleisch und Blut – im menschlichen Herzen. Diese Überzeugung verdanken wir Christus. Sie gilt auch bei Gott. Von uns aus sind wir ja gar nicht in der Lage, uns etwas derartiges zuzuschreiben – so als hätten wir es aus eigener Kraft erreicht.
Sondern es ist Gott, der uns dazu befähigt hat. Er hat uns die Fähigkeit verliehen, Diener des neuen Bundes zu sein. Und die Grundlage dieses Bundes sind nicht Buchstaben, sondern der Heilige Geist. Denn der Buchstabe führt zum Tod, aber der Geist führt zum Leben.

 

Paulus sagt: «Ihr seid ein Empfehlungsschreiben, das von Christus kommt.» Welch wunderschöner Satz. Nicht Briefe und Empfehlungen machen einen Apostel aus, sondern Christus selbst, sagt Paulus.

Als ich unseren Predigttext gelesen habe, hat mich dieser Satz irritiert. Vielleicht deshalb, weil ich in der letzten Zeit verschiedene Beiträge gesehen oder Artikel gelesen habe, in denen es um den Wahlkampf in den USA geht. Dort sind einige Menschen zutiefst überzeugt davon, dass der Präsidentschaftskandidat Trump ein Gesandter Gottes ist. Gewisse sehen ihn sogar als Messias. Für mich eine erschreckende und äusserst gefährliche Vorstellung. Zugleich wirft Paulus wunderschöner Satz doch eine berechtigte Frage auf:

Wer ist Gesandter Gottes? Und wie kann eine Person wissen, dass sie es ist? Und wer kann oder darf in Gottes Namen sprechen? Paulus versteht sich als Gesandter des Höchsten, aber die anderen Prediger in Korinth, mit ihren Empfehlungsschreiben, denken das wahrscheinlich auch von sich selbst.

Paulus liefert Antworten auf diese Frage in den folgenden Versen unseres Textes. Er schreibt: «Von uns aus sind wir ja gar nicht in der Lage, uns etwas derartiges zuzuschreiben – so als hätten wir es aus eigener Kraft erreicht.» Sondern es ist Gott, der uns dazu befähigt hat. Er hat uns die Fähigkeit verliehen, Diener des neuen Bundes zu sein.

In diesen Sätzen scheinen mir drei Sachen wichtig:

1. Gott befähigt uns: Die Fähigkeit im Namen Gottes zu sprechen, kommt von Gott. Nicht um den eigenen Ehrgeiz zu pflegen, nicht aus Eigennutz, nicht um gut dazustehen oder gar eine Wahl zu gewinnen. Noch viel weniger um anderen zu schaden oder sich einen guten Platz für die Ewigkeit zu sichern!

2. Der neue Bund: Der erste Bund, den Gott geschlossen hat, ist jener mit dem Volk Israel. Dieser Bund gilt bis heute und wird nicht vom neuen oder zweiten Bund gelöscht. Der neue Bund ist ein Versprechen, das Gott gibt. Nämlich das Versprechen, dass er Fehler (Sünden) vergibt und die Gemeinschaft mit uns Menschen herstellt oder wieder-herstellt. Jesus Christus ist der Mittler des neuen Bundes, und sein Tod am Kreuz ist die Grundlage für dieses Versprechen.

3. Diener des neuen Bundes: Diese wunderbare Nähe und Beziehung zu Gott, der Bund also, muss etwas bewirken. Dieser Bund kann kein Leerlauf sein, oder Stillstand, oder blosse Worte. Diener dieses neuen Bundes zu sein, verstehe ich als Konsequenz, als logische Folge des Bundes mit Gott. Diese logische Folge kann nur das Handeln sein. Handeln an unseren Nächsten, an den Mitmenschen. Handeln auch an Gottes Schöpfung. Und Handeln kann ja ganz unterschiedlich sein. Wir alle haben Gaben. Die Einen können etwas besonders gut und die anderen können etwa ganz anderes besonders gut.

Paulus, er macht es mit seinen Briefen, mit denen er erklärt, aufrüttelt und auch oft tröstet.

Ich möchte auf einen letzten Satz eingehen. Paulus schreibt: «Und die Grundlage dieses Bundes sind nicht Buchstaben, sondern der Heilige Geist. Denn der Buchstabe führt zum Tod, aber der Geist führt zum Leben.» Nicht in Büchern, auf Wahlplakaten oder Instagramm muss man ablesen, was es heisst im zweiten Bund mit Gott zu stehen, also was es heisst Christinnen und Christen zu sein. Sondern in den Herzen und Seelen, dort, wo Gottes Geist mit so viel Kreativität wirkt.

Die Auswirkungen des Bundes mit Gott sollen nicht starr und eng sein, sondern im Leben sichtbar. Im alltäglichen Tun. Mit allen Mitmenschen, mit der Schöpfung. Mit Fantasie, Respekt und Liebe. Und sowieso nicht um Punkte bei Gott zu sammeln, um irgendwann in der Ewigkeit besser dazustehen.

Am Anfang fragte ich, was eine Kirchgemeinde ausmacht. Mit Paulus möchte ich sagen, dass eine Kirchgemeinde aus Menschen besteht, die dem Neuen Bund mit Gott Taten folgen lassen. Und das beflügelt von der Heiligen Geistkraft.