Glanz und Schönheit

Schifra und Pua: Zwei Hebammen retten Leben

Predigt zu 2. Mose 1,15-21 von Pfarrerin Ruth Oppliger

Schifra und Pua, das sind zwei Frauen, die mir Eindruck machen. Haben Sie diese Namen schon einmal gehört? Sind Ihnen die Namen der beiden Frauen schon einmal begegnet?

Schifra und Pua, das sind die Namen zweier Frauen, die auf der Seite des Lebens stehen. Glanz und Schönheit, so heissen ihre Namen übersetzt. Schifra bedeutet Glanz. Pua bedeutet Schönheit.

Wie viele andere biblische Frauen sind sie den meisten von uns nicht bekannt. Aber ihre Geschichte wurde über Generationen weitererzählt und später aufgeschrieben, so dass ihre Namen nicht vergessen gingen. Das zeigt uns, dass sie eine wichtige Stellung in der Geschichte des Volkes Israel eingenommen haben. In ihrem Leben und in ihrem Wirken zeigt sich etwas vom Glanz und von der Schönheit Gottes.

Lesen wir, was die Bibel im 2. Buch Mose über sie erzählt: «Und der König von Ägypten sprach zu den Hebammen der Hebräer – die eine hiess Schifra, die andere Pua – und sagte: Wenn ihr die Hebräerinnen entbindet, gebt acht bei der Geburt: Ist es ein Sohn, so tötet ihn, ist es eine Tochter, so kann sie am Leben bleiben.
Die Hebammen aber fürchteten Gott und handelten nicht, wie der König von Ägypten es ihnen gesagt hatte, sondern liessen die Knaben am Leben.
Da rief der König von Ägypten die Hebammen und sagte zu ihnen: Warum habt ihr das getan und die Knaben am Leben gelassen?
Und die Hebammen sagten zum Pharao: Die Hebräerinnen sind nicht wie die ägyptischen Frauen. Sie gebären wie die Tiere, noch bevor die Hebamme zu ihnen kommt, haben sie schon geboren.
Und Gott liess es den Hebammen gut gehen, und das Volk mehrte sich und wurde sehr mächtig. Und weil die Hebammen Gott fürchteten, gab er auch ihnen Nachkommen.» (2.Mose 1,15-21)

Wenn wir in die vorangehenden Verse und in die Geschichte des Volkes Israel zurückschauen, lesen wir die Erzählung über Josef, der nach Ägypten kam. Als Josef schon gestorben war und auch alle seine Brüder, lebten die Nachkommen immer noch in Ägypten. Sie vermehrten sich und wurden stark. Als ein neuer König in Ägypten an die Macht kam, da fürchtete er, dass das Volk Israel zu mächtig würde. So mussten die Männer und Frauen des Volkes für den Pharao Fronarbeit leisten und sie bauten für ihn die Städte Pitom und Ramses. Je mehr aber das Volk unterdrückt wurde, desto zahlreicher und mächtiger wurden sie.

Also gebot der Pharao den Hebammen, alle männlichen Neugeborenen zu töten. Nur die Töchter sollten sie am Leben lassen. Aber die Hebammen taten nicht, was der Pharao von ihnen verlangte. Denn, so heisst es, sie waren gottesfürchtig.

Als der Pharao von Schifra und Pua Rechenschaft verlangte, antworten sie mit einer listigen Ausrede: die Frauen der Hebräer seien stark und die Geburten seien meist schon vorbei, wenn sie dazu kämen. Darum tat Gott den Hebammen Gutes. Er segnete sie und gab auch ihnen Nachkommen. Schifra und Pua begleiten als Hebammen Frauen und Kinder bei der Geburt. Sie arbeiten auf der Schwelle von Leben und Tod und erfahren immer wieder das Geschenk eines neuen Lebens. Ihre Berufung ist es, Leben zu ermöglichen und Leben zu retten. Oftmals erfahren sie aber auch, dass eine Geburt nicht wie erhofft erläuft und sie müssen Kind und Mutter im Sterben begleiten.

Im Hebammenberuf braucht es ein grosses medizinisches Wissen, die nötigen Handgriffe und Techniken sind lebensnotwendig. Aber es geht vor allem auch um eine grosse menschliche Kompetenz, es geht darum, Menschen zur Seite zu stehen, in einer Situation, in der Leben und Tod so nahe sind. Es braucht die Fähigkeit, Mut zuzusprechen und Trost zu spenden.

Wie wir in der Geschichte vernehmen, haben Schifra und Pua auch eigene Kinder. Sie kennen also nicht nur viele Geburtsgeschichten aus beruflicher Perspektive, sondern auch aus persönlicher Erfahrung. Diese beiden Frauen bekommen nun vom Pharao den grausamen Auftrag, alle männlichen Kinder bei der Geburt zu töten. Sie, die immer auf der Seite des Lebens stehen, sollen nun den Tod bringen.

Schifra und Pua verhalten sich beeindruckend. Sie leisten Widerstand. Sie denken sich nicht: wir müssen dem Befehl des mächtigen Pharaos folgen, sonst bringt er uns um. Sie verrichten ihre Arbeit in gewohnter Weise. Das ist für sie selbst eine grosse Gefahr, ihr eigenes Leben und das ihrer Familien ist damit in Gefahr.

Diese Frauen zeigen Stärke und Grösse. Die Hebammen widersetzen sich dem Befehl des Königs. Und sie erfinden eine Lüge, um das Leben zu schützen. Sie fürchten Gott. Ihm dienen sie und ihn ehren sie mit ihrer Arbeit für das Leben. Das ist der Grund für ihr Verhalten. Verehrung für Gott bedeutet Achtung für das Leben.

Erstaunlich ist, dass der Pharao die beiden verschont. Ihm wird klar, dass er nicht mit ihrer Hilfe rechnen kann bei seinem mörderischen Vorhaben.

Der Pharao hat leider nicht von seinem Plan abgelassen, er gab nun den Befehl, alle Söhne in den Nil zu werfen.

Es folgt nun anschliessend an die Erzählung von Schifra und Pua die bekannte Erzählung von Moses, der in einem Körbchen auf dem Nil ausgesetzt wird, mit dem Ziel, dass er von seiner Schwester Mirjam und der Tochter des Pharao gerettet wird. Die leibliche Mutter von Moses wiederum stellt sich als Amme zur Verfügung. Wiederum retten hier die Frauen das Leben von Mose, der später einen wichtigen Auftrag von Gott auszuführen hat, nämlich das Volk Gottes von Ägypten weg in das verheissene Land zu führen. 

Es ist ermutigend, dass uns die Bibel immer wieder Geschichten erzählt, die von einer Rettung aus der Not erzählen und von Menschen, die im Sinne Gottes handeln und für Menschen einstehen. So bringen sie den Glanz und die Schönheit Gottes in die Welt.

Und diese Menschen braucht es mehr denn je. Viele leiden bis heute unter Gewalt, wie unter derjenigen des Pharao. Denken wir an alle Frauen, die heute an vielen Orten der Welt an ihrem Leben bedroht sind, die ihrer Rechte beraubt werden, wie aktuell in Afghanistan. Sie können nicht behütet und gut versorgt gebären. Sie und damit ihre Kinder leiden besonders unter Gewalt, Hunger und Krankheit.

Aber bis heute gibt es mutige Menschen, die sich, wie die Hebammen, unter Einsatz ihres Lebens für bedrohte Menschen einsetzen, in vielen Ländern dieser Erde, wo kein Wohlstand und Frieden herrscht.

Wir haben in den letzten Monaten alle erfahren, dass in unserem sicheren, reichen Land das Leben vieler ernsthaft bedroht sein kann. Menschen werden todkrank, andere wollen die Krise noch immer nicht wahrhaben. Tatsache ist, dass viele Männer und Frauen sich bei uns mit allen Kräften einsetzen für das Leben und die Gesundheit unserer Gesellschaft. Es sind dies die Fachpersonen im Gesundheitswesen. Bis zur Erschöpfungsgrenze müssen die Pflegekräfte Einsatz leisten. Die Hebammen machen ihre Arbeit Tag und Nacht unter erschwerten Bedingungen. Mütter befinden sich in Gefahr und ihre Kinder werden vielleicht unter den Folgen zu leiden haben. Immer sind Leben und Tod nahe beieinander und höchste Aufmerksamkeit ist verlangt.

Ich kenne viele Menschen, die nicht mehr können. Sie sind erschöpft. Auch ohne Pandemie sind sie schon genug unter Druck. Sie wollen doch nur eins: dem Leben helfen, die Menschen begleiten. Die Pflegenden, die Hebammen, sie verdienen eine grosse Achtung. Sie haben Anerkennung verdient und das bedeutet ganz klar auch eine bessere Entlöhnung, bessere Arbeitsbedingungen und mehr Personal. Applaus allein genügt nicht.

Nehmen wir uns Schifra und Pua zum Vorbild. Wir können alle etwas tun, hier und jetzt, in unserem Leben, mit jeder kleinen Tat, die die Welt besser macht.

Damit können wir den Glanz und die Schönheit Gottes zum Strahlen bringen.