Jahreslosung

Gen 16,13:"Du bist ein Gott, der mich sieht."


Losgehen

Die Verheissung des Morgens atmen.
In der Stille des Unberührten aufbrechen.
Schlafende Häuser hinter sich lassen.
Wind im Gesicht spüren.
Dem neuen Jahr entgegen laufen.
Mit eigenen Schritten hineinwandern.
Bekannte Wege wie Neuland erkunden.
Ins Weite wollen.
Dem Ungewissen vertrauen.
Aus der Dunkelheit heraustreten.
Auf den Beginn setzten.
Mit den Knospen rechnen.
Gottes Himmel offen sehen.
Alles für möglich halten.                   
Anfangen.
(von Inken Christiansen)
 
 

Schriftlesung Genesis 16

siehe
 

Predigt

"Du bist ein Gott, der mich sieht."
Liebe Gemeinde
Was für eine Geschichte ist das!? Vom SEHEN!? Doch was wird da nicht alles übersehen, weggeguckt, ausgeblendet! Hagar flieht aus dem Alten und weiss nicht wohin. Abraham schaut weg, als seine klare Haltung ge-fragt ist. Sara will nicht mehr warten vergisst die Konsequenzen.
Wir können da das menschliche Antlitz von Helden sehen. Vom grossen Ahnvater und bedrängten Stammesmüttern. In ihren Geschichten sehen wir Abbilder bis heute. In der Ur- Geschichte sehen wir der Gegenwart ins Auge. Längst Vergangenes wirkt bis in die Gegenwart. Damals wie heute alles andere als heile Welt. Ob da was dabei für die nächste Zukunft!? Ob da was dabei ist für das junge Jahr 2023!?

Was für ein Widerspruch zwischen der Jahreslosung und der Geschichte. Aus der sie herausgepickt wurde. Sicher aus gutem Grund. Da geht es doch um Vertrauen und Zuspruch, zum ersten Mal wird der Satz einer Frau zur Jahreslosung. Doch meine erste Reaktion auf diese Geschichte war von all  dem Zwiespältigen geprägt. Sie deckt sich mit den ersten Re-aktionen von anderen, mit denen…Auch sie bekunden Mühe. Wie geht das zusammen!?

Ein Studienfreund nannte die Losungen oft LÖSUNGEN. Da steckt et-was drin – sagte er - und das bringt weiter, auch wenn man es nicht auf Anhieb sieht. Aber eben – ums Sehen geht es ja in der Jahreslosung fürs 2023:

1. Wie lange noch?

Nach 10 Jahren ist genug, ich nehme die Sache selbst in die Hand. So muss es Sara gegangen sein, die nur noch die verrinnende Zeit gesehen hat. Da sie ihrem Leib nicht trauen kann, setzt sie auf ihren Kopf. Und der hirnt so lange, bis er eine Lösung hat. Da gibt es doch ein Gesetz, das Nachkommen ermöglicht. / So wie wir manchmal so lange hirnen, bis wir eine scheinbar gute Lösung haben. Alles scheint zus.zupassen. Und es ist sogar legal. So wie bei Sara, die sich mit der Leihmutter den ersehnten und göttlich versprochenen Kinderwunsch erschaffen will.
Leider ist der Kopf ohne Herz und Bauch bei Wichtigem ein schlechter Ratgeber. Ihr habt’s gehört: in ihrem Planen kam Eifersucht und Aufbe-gehren nicht vor. Doch die Gefühle überrennen die Entscheidung und die erdachte Lösung schafft neue Qual.
So wie das bei uns manchmal ist, wenn wir Herzenswünsche mit dem Kopf und ohne das Bauchgefühl lösen wollen. Das geht leider immer wie-der schief. Dann, wenn nur der Kopf entscheidet, Bauch und Herz aber nicht gehört sind.

Die 1. Lösung heisst: Warte, auch wenn du es nicht mehr erwarten kannst. Damit du dich nicht selbst übervorteilst – so wie Sara. Nicht alles, was ich darf, tut mir gut. Kluge Entscheidungen brauchen Kopf, Bauch und Herz.

2. Die Chance ergreifen.

Ganz ähnlich ist es bei Hagar: Sie hatte wohl keine Alternative, als diese Leihmutterschaft einzugehen. Doch sie sieht ihre Chancen: als Nebenfrau habe ich es gewiss besser denn als Sklavin. Der wachsende Bauch gibt ihr Selbstvertrauen und lässt ihre Ansprüche wachsen. Auf Kosten von Sara. Das kommt nicht gut. / So wie es bei uns oft nicht gut kommt, wenn wir auf Kosten von anderen unsere Chancen ergreifen, unsere Vorteile auskos-ten. Sei es in der (Gross-)Familie wie bei Hagar / Sara, oder auf anderen Bühnen des Lebens, wo man sich auf Kosten anderer entfalten will.
Die 2. Lösung heisst: Denke und fühle bis zum Ende, bevor du eine Chan-ce ergreifst! Plane und Handle nicht auf Kosten anderer. Damit du dich nicht selbst ins Abseits stellst und am Ende noch fliehen musst wie Hagar. Und nicht einmal weisst wohin.

3. Du bist gefragt.

Auch der Ahnvater Abraham macht eine klägliche Figur. Statt Augen auf macht er beide Augen zu und stiehlt sich aus der Verantwortung: «Es ist deine Sklavin» Aber ist nicht er der Vater – ist es nicht sein Kind, seine Nebenfrau? Anstatt klar Position zu beziehen, zeigt/outet sich Abraham als Feigling. Weder für sich noch fürs Gegenüber steht er ein. Wie einer, der von Gottes Verheissungen lebt, klingt das jedenfalls nicht. Wie einer, der noch im Alter mit Gottes Segen Neuland betritt, schon gar nicht.
Auch unsere Zeit ist voll von Abrahams, die wegschauen, die Unrecht nicht beim Namen nennen, die sich aus der Verantwortung stehlen. Die feige sind und nicht Position beziehen. Im Grossen wie im Kleinen. In der Weltpolitik wie bei Konflikten in der Nachbarschaft. Weder für eigene Anliegen noch für ein grösseres Ganzes wird eingestanden. Das vergange-ne Jahr wird da mit traurigen Beispielen in Erinnerung bleiben.
Die 3. Lösung heisst: Du bist gefragt. Deine aufrechte Haltung und deine klare Position. Deine Verantwortung ist gefragt, und das erst recht, wenn es um deine Entscheidungen geht. Stehe dazu und kneife nicht wie Abra-ham. Deine klare Position ist wichtig.

4. Einfach nur noch weg von hier.

Hagar fühlt sich auf verlorenem Posten. Ihr Kalkül ist nicht aufgegangen. Sie hat ihre Chancen verspielt. Ihr bleibt nur noch die Flucht. Sie will nur noch weg. Sie rennt davon und findet einen Brunnen. Immerhin ist ein erstes Wegstück geschafft, eine erste Erfrischung gefunden. Doch ein Ziel für sich und ihr Kind hat sie keines. Wo soll eine schwangere Sklavin auch schon unterkommen?
Genau in dem Moment begegnet sie einem, der sie beim Namen nennt und nach ihrem Weg fragt. Es muss einer der Momente sein, wo man klarer wahrnehmen kann als sonst. Wo es einem wie Schuppen von den Augen fällt, wie es um einen selbst steht.
Sie erkennt eine Stimme. Die kann nur von einem himmlischen Boten sein. Gott sei Dank versteht sie seine Botschaft, obwohl die ganz anders ist als erhofft: Zurück auf Feld EINS. Zurück in all das, woraus sie geflohen ist. Dennoch ist es für sie ein Moment der Klarheit: "Du bist ein Gott, der mich sieht."
Du siehst nicht nur meine Schoggiseiten. All das andere auch. Auch meine Angst und Not. So wie jetzt auf der Flucht ohne Ziel. Den Schlamassel, den ich mir eingebrockt habe. Ausweglose Momente kennen viele von uns auch. Ob wir auf ähnlichen Wegabschnitten die Fragen des Engels, die göttliche Stimme hören können? Ob wir mit dem rechnen, was wir glau-ben? Dass Gott uns sieht!? Dass sich wieder Wege öffnen. Sogar solche, denen wir ausweichen wollten!?
Von diesem Vertrauen gehen die Losungen aus. Damit rechnete Zinzen-dorf, als er vor fast 300 Jahren die Losungen erfand. Gott spricht zu uns. So wie in dieser alten Geschichte, so auch in unsere Zeit. So vertrackt die Situation auch sein mag. Die Worte aus der Bibel. Die Worte von Hagar werden zu meinen. Zu einem Zuspruch, manchmal zu einem Widerspruch. In jedem Fall helfen sie zu einer Lösung.
Die 4. Lösung heisst: Gott sieht mich, mit dem, was gelingt und mit dem anderen auch. Gott sieht mich, auch wenn ich ihn nicht sehe. Erahnen kann ich ihn und seine guten Mächte immer wieder. Erkennbarer werden sie oft dann, wenn ich mir wie Hagar nichts mehr vormachen kann und es mir wie Schuppen von den Augen fällt.

5. Mach deine Erfahrungen sichtbar.

Dazu gesellt sich ein Fünftes. Für uns Reformierte wohl etwas Ungewöhn-liches. Den Erfahrungen einen sichtbaren Erinnerungsanker geben. So wie der Name des Brunnens an das erinnert, was Hagar widerfahren ist: da – sichtbar - steht der Brunnen des Lebendigen. Sein Name erzählt vom Gott, der mich anschaut. Zum Festhalten wertvoll. Wertvoll wie Wasser in der Wüste.  Eine Kollegin bspw…
Die 5. Lösung baut Orte der Erinnerung, damit im Alltag erkennbar bleibt, was in Grenzsituationen erkannt und geglaubt wurde.

Der Studienfreund nennt die Losungen oft LÖSUNGEN. Fünf Lösungen habe ich euch vorgestellt. Was Sara, Abraham und Hagar uns fürs 2023 mitgeben. Und ich bin gespannt zu hören, welche Lösungen sich euch zei-gen. Welche Wege sich dieses Jahr öffnen werden. Mit dem Gott, der uns sieht. AMEN

Gebet

Du bist ein Lebeniger Gott
So erzählen es die hl. Schriften. Davon weiss die Erfahrung.
Auf das vertrauen wir fürs 2023.
Die Jahreslosung verheisst, dass du hörst und siehst: den Schlamassel, in dem wir immer wieder stecken. Mal erlitten, andere Male selbst gemacht.
Deine guten Mächte brauchen wir mehr denn je, drum bitten wir:
Lass dieses Jahr zu einem Jahr des Friedens werden – auch wenn so vieles dagegen spricht.
Lass es zu einem Jahr der Hoffnung werden – auch wenn wir hoffnungs-lose Momente kennen.
Lass dieses Jahr zu einem Jahr des Aufbruchs werden – wo wir aufeinan-der zugehen, auch wenn Wege sich getrennt haben.
Lass es zu einem Jahr klarer Zeichen werden – wo wir füreinander einste-hen und alte Grenzen überwinden.
Lass dieses Jahr zu einem Jahr des Erkennens werden – wie du uns siehst und hörst und uns einen Engel an die Seite stellst.
 
Stille & Unser-Vater – Gebet

Segen

Losgehen (vgl. oben)
Unser Anfangen segne und behüte Gott…