Ökumenische Frauenandachten

«Komm heiliger Geist, entzünde das Feuer deiner Liebe.» RG 514

 

Während mehr als 30 Jahren wurden in Burgdorf «ökumenische Frauenandachten» gefeiert.

Die Geschichte der ökumenischen Frauenandachten in Burgdorf ist mit der Geschichte des Vereins «Frauenkirche Bern» verbunden, der 1998 gegründet wurde. Dieser Verein wieder- um war ein Teil einer schweizweiten Bewegung «Frauenkirche Schweiz».

Die Frauen, die sich später zur Frauenkirche zusammenschlossen, waren bereits vor der offiziellen Vereinsgründung seit Jahren aktiv. An vielen Orten im Kanton Bern trafen sich Frauengruppen, die sich für feministische Theologie interessierten und Frauengottesdienste durchführten. Überall in der Schweiz wurden Frauenliturgien gefeiert und feministisch-theologische Anlässe durchgeführt.

In Burgdorf beschäftigte sich seit den 1980er Jahren eine Gruppe von reformierten und katholischen Frauen zunehmend mit der Theologie aus Frauensicht. Viele dieser Frauen wirkten schon lange bei den Weltgebetstagsfeiern mit. Sie leisteten damit eine grosse und wichtige Pionierinnenarbeit in unserer Kirchgemeinde.

Neben der Durchführung der Frauenandachten, wurde in den 1990er Jahren zusätzlich an einem Sonntag im April die ökumenischen Frauen-Weggottesdienste gefeiert. Es wurden zudem feministisch-theologische Kursabende durchgeführt. Dazu entstand auch ein Lesekreis, der zum Teil bis heute besteht.

Es ist wichtig, zu wissen, dass die vielfältige Frauenarbeit, die während Jahren aufgebaut wurde, am Anfang eine Leistung von Freiwilligen und Ehrenamtlichen war. Erst Ende des Jahrtausends sind Seelsorgerinnen in ein Pfarramt in Burgdorf gewählt worden.

Bei Amtsantritt konnten wir schon auf eine reiche Tradition in Bezug auf eine Theologie aus Frauensicht bauen. Wir wurden von vielen engagierten Frauen in den Kreis derer aufgenommen, die eine andere Perspektive auf die Kirche wahrnehmen und sie mit Verantwortung und Freude in Wort und Tat mitgestalten wollen.  

Stellvertretend für alle, die sich in den vielen Jahren eingesetzt haben, erwähne ich ein paar Frauen namentlich, die von Anfang an dabei waren: Verena Mbiti, Hedi Hürzeler, Hanna Siegenthaler, Margrit Dobler, Margreth Schürch, Margret Brenner, Marianne Mauderli, Maja Baer, Ruth Brülisauer, Dien Schödler, Therese Ramseyer, Eva Iseli…

Die Frauenandachten wurden meist 3x jährlich durchgeführt: vor Pfingsten, vor Bettag und im Advent. Die Feiern fanden jeweils an einem Freitagabend statt. Gefeiert wurde meist im Chor der Stadtkirche (wobei sich einige Männer anfangs darüber Gedanken machten, ob es sich wirklich lohne, wegen einer Gruppe von Frauen die Kirche zu heizen). In den letzten Jahren fand die Andacht dann auch 1x jährlich in der katholischen Kirche statt.

Vorbereitet wurden die ökumenischen Feiern von einer wechselnden Gruppe von meist 3 Frauen, wobei möglichst immer katholische und reformierte Vertreterinnen dabei waren. Vorbereitet wurde die Andacht über die Jahre zwar ausschliesslich von Frauen, wobei feministisch-theologische Themen im Zentrum standen.

Eingeladen waren natürlich immer auch Kinder und Männer!

Mit einer Theologie aus Frauensicht tat sich damals und tut sich bis heute eine neue Welt des Verstehens auf. Die feministische Theologie macht uns auf Inhalte in der Bibel und deren Auslegungsmöglichkeiten aufmerksam, von denen, leider bis heute, wenig bekannt ist.

Es stellen sich Fragen: Kann Gott auch in weiblichen Sinnbildern beschrieben werden, kann Gott eine Frau sein? Reden wir vom heiligen Geist, von der Geistkraft oder von der heiligen Geistin? Welche biblischen Frauen können für uns zum Vorbild werden?

Es finden sich mögliche Antworten:
Ja, Gott wird auch weiblich beschrieben. Gott tritt im AT als Frau Weisheit auf. Jesus ist aus Sicht der biblische Weisheitstradition das Kind der göttlichen Weisheit. Der heilige Geist, die Schaffenskraft Gottes ist in der hebräischen Bibel eine weibliche Kraft (ruach), darum reden wir von Geistin.
Es gibt viele biblische Frauen, die Wichtiges leisteten. In beiden Teilen der Bibel begegnen uns Frauen, die verantwortungsvolle, wichtige Aufgaben wahrnehmen. Im AT erscheint Gott als Frau Weisheit. Das NT erzählt uns, dass die erste Zeugin der Auferstehung eine Frau war. Die Jüngerin Maria Magdalena ist die erste Apostolin. Sie verkündet im Auftrag von Jesus Christus die Botschaft vom Leben.

 

Die Andachten, vorbereitet von einer Frauengruppe, waren von Anfang an ein Experimentierfeld für Neues und das blieben sie bis zuletzt.

Nebst der Auseinandersetzung mit neuen theologischen Inhalten, war bei den Frauenandachten das Element der Gestaltung sehr wichtig. Alle Sinne sollten angesprochen werden. Das Wort wurde in Symbole übersetzt, Inhalte wurden sinnbildlich mit viel Kreativität ausgedrückt. Es wurde in einem Kreis um eine Mitte gefeiert. Die Mitte wurde zum Thema und zum Kirchenjahr passend geschmückt.

Dazu wurde die Andacht immer auch musikalisch begleitet, mit Orgel, Instrumenten und Liedern. Oft durfte auch ein meditativer Tanz nicht fehlen.

Am 21. Mai 2021 fand in der Stadtkirche die letzte ökumenische Frauenandacht statt.

Die Anliegen der feministischen Theologie werden damit nicht aufgegeben. Im Gegenteil, sie gehen uns alle an. Wir brauchen weiterhin viele Frauen und natürlich auch Männer, die sich dafür einsetzen. Es geht dabei nicht um abstrakte theologische Inhalte, sondern schlussendlich um Gerechtigkeit um Gleichberechtigung von Frauen und Männern.

An dieser Stelle möchte ich allen herzlich danken, die sich in unserer Kirchgemeinde für die Anliegen von Frauen eingesetzt haben oder es noch tun!

In Zukunft werden die Andachten weitergeführt als ökumenische Taizéfeiern. Sie finden 4x jährlich an einem Freitagabend statt, abwechselnd in der katholischen Kirche und in der Stadtkirche. Verantwortlich sind jeweils Manuel Simon, Gemeindeleiter röm.-kath. Pfarrei, sowie Anne-Katherine Fankhauser und Ruth Oppliger, Pfarrerinnen reformierte Kirche.

Die 1. ökumenische Taizéfeier wird am Freitag, den 17. Dezember, um 19.00 Uhr, in der Stadtkirche, durchgeführt.

Pfrn. Ruth Oppliger