Eine grosse Frage

Gottesdienst vom 3. Januar 2021

Pfr. Manuel Dubach

 

Lesung von Exodus 3,11–14

Mose aber sagte zu Gott: Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehen und die Israeliten aus Ägypten herausführen könnte?
Da sprach er: Ich werde mit dir sein, und dies sei dir das Zeichen, dass ich dich gesandt habe: Wenn du das Volk aus Ägypten herausgeführt hast, werdet ihr an diesem Berg Gott dienen. Mose aber sagte zu Gott: Wenn ich zu den Israeliten komme und ihnen sage: Der Gott eurer Vorfahren hat mich zu euch gesandt, und sie sagen zu mir: Was ist sein Name?, was soll ich ihnen dann sagen?
Da sprach Gott zu Mose: Ich werde sein, der ich sein werde. Und er sprach: So sollst du zu den Israeliten sprechen: Ich-werde-sein hat mich zu euch gesandt.

 

Predigt zu Johannes 18,33–38

Vorere guete Wuche hei mir Wienachte gfyret. D Geburt vo Jesus. D Geburt vomene Chünig. En eigete Chünig. Eine ohni grosse Hofschtaat. E Chünig ohni Glanz und Gloria. Eine, wo sech vor auem ou um di Schwache kümmeret. E Chünig, wo säuber muess erfahre, was das heisst: schwach sy.

Am Ändi vo sim irdische Läbe wird är sogar verhaftet. Är chunnt vor Gricht. Jesus muess em römische Schtatthauter, em Pontius Pilatus, Red und Antwort schtoh. Dr Pilatus isch fasch chly überforderet mit dr Situation. Dä eifach Ma vor ihm söu e Chünig sy? Dr römisch Schtatthauter muess nochefroge.

Dir ghöret d Värse 33 bis 38 usem 18. Kapitu vom Johannesevangelium:

Da ging Pilatus wieder ins Prätorium hinein, liess Jesus rufen und sagte zu ihm: Du bist der König der Juden?
Jesus antwortete: Sagst du das von dir aus, oder haben es dir andere über mich gesagt?
Pilatus antwortete: Bin ich etwa ein Jude? Dein Volk und die Hohen Priester haben dich an mich ausgeliefert. Was hast du getan?
Jesus antwortete: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, würden meine Diener dafür kämpfen, dass ich nicht an die Juden ausgeliefert werde. Nun aber ist mein Reich nicht von hier.
Da sagte Pilatus zu ihm: Du bist also doch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es. Ich bin ein König. Dazu bin ich geboren, und dazu bin ich in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.
Pilatus sagte zu ihm: Was ist Wahrheit?

D Frog nach em Chünig, di wird klärt – ömu meh oder minger. Aber si macht ere angere Frog Platz. Eini, wo no viu grösser isch. Dr Pontius Pilatus schtöut se:

«Was ist Wahrheit?» Jesus git ke Antwort. Es grosses Frogezeiche. Und es hallet so richtig noche.
«Was ist Wahrheit?»

Ig muess ehrlech sy: Das isch en Art vo Frog, wo mi verunsicheret. So ne Frog het es Gwicht, wo mi fasch erdrückt. Me weiss chuum, wo afo mit Beantworte. Und wo ufhöre, isch ou nid viu eifacher.
E settigi Frog loht mi zersch Mau lo verschtumme. Und was mi chly tröschtet: Ou Jesus blibt hie schtiu. Ou vo ihm git’s a dere Schtöu ke Antwort. Är loht di Frog eifach so im Ruum loh schtoh.

Aber mängisch chunnt me nid drum ume. Mängisch muess me sech dene Froge schtöue. Grad ou aus Theolog, aus Theologin.

Das han ig grad vor eme Monet wider mou realisiert. E junge Informatiker het mit mir Kontakt ufgnoh. Im Rahme vo sim Lehrabschluss müessi är en Arbeit schribe. En Arbeit im Fach Allgemeinbildung. Hie het är sech zäme mit eme Kolleg es grosses Thema usgsuecht: «Der Sinn des Lebens». Nid weniger und nid meh. Es het mi natürlech gfröit, dass är sech mit dere Thematik ou a ne Verträter vo dr Chiuche wändet. D Informatik het mir scho mängisch ghuufe. Schön, wen ig mou em ne Informatiker cha häufe. Oder zmingscht cha versueche, das z’mache.

Y mini Fröid het sech ou e gwüssi Verlägeheit gmischt. «Was isch dr Sinn vom Läbe?»

Das isch jetz äbe eini vo dene grosse Froge, won ig mi nid unbedingt druf schtürze. Aber klar: Dr Pfarrer het sech hie nid chönne drücke. Mängisch tuet’s eim jo ou guet, we me uf Sache ufeglüpft wird, wo me schüsch gärn chly mydet.

Und überwoge het bi mir klar d Fröid. Di positivi Überraschig, dass sech e junge Informatiker mit settige Gedanke beschäftiget.

Wär sech d Frog nach em Sinn vom Läbe schtöut, dä oder die macht e wichtige Schritt. Mit dr Sinnfrog schprängt me e Gränze. D Gränze vom blutte Exischtiere. Me git sech nid dermit z’fride, dass me eifach funktioniert. Ässe, Trinke, Schloofe, es Dach überem Chopf, es sichers Ykomme und es soziaus Netz. Aues wichtig. Das bruuche mir zum Exischtiere. Aber isch es das de ou scho gsi? Schteckt do drin scho gnue, oder geit’s no um meh y däm Läbe?

Y däm Ougeblick, wo me sech settigi Froge schtöut, geit me chly uf Dischtanz. Uf Dischtanz zu sich säuber und uf Dischtanz zu sim Läbe. Me macht e Schritt zrügg und versuecht, en Überblick z’übercho. Ds Büud wird wyter und me dänkt über di grössere Zämehäng noche. Me lüpft sech ufene angeri Äbeni und versuecht, y d Töifi z’goh.

Dass mir das überhoupt chöi mache, das ungerscheidet d Mönsche vom Schimpans – ömu vermuetlech.

Und villech isch genau das scho en Antwort. En Antwort uf d Frog nach em Sinn vom Läbe. D Tatsach, dass mir üs dere Frog überhoupt schtöue. D Tatsach, dass mir das Läbe nid eifach nume läbe, sondern ou drüber nochedänke. Dass mir ab und zue en Uslegeornig mache und üs bewusst wärde, was würklech Sinn schtiftet.

«Ab und zue»: Das isch e wichtigi Präzisierig. D Frog nach em Sinn vom Läbe, di cha me nid eifach nume einisch beantworte und sech de ewig a dere einte Antwort feschtha. Di Antwort, di cha geng nume e Momäntufnahm sy. Es verschiebt sech so vüu y däm Läbe, aues isch y Bewegig.

Schtöuet nech öich genau hütt voremne Johr vor. Am 3. Jänner 2020. Es isch e Fryti gsi. Do het d Wäut noch chly angersch usgseh. Wär hätt denn dänkt, was y de nächschte Mönet aues uf üs zuechunnt? Au das, wo mir sithär erläbt hei, das het üs prägt. Das het e wäsentleche Yfluss druf, wi mir d Sinnfrog tüe beantworte. Hie het sech vermuetlech ds Einte oder ds Angere chly verschobe.

Scho nume d Tatsach, dass sech dä jung Informatiker uf d Sinnsuechi gmacht het, scho nume die Tatsach het bis zumene gwüsse Grad ou mit dr gägewärtige Krise z’tüe. Zyte wi die jetz mache eim nachdänklecher.

Und bi däm Nachedänke het mi dä Lehrling ou nach dr Roue vo dr Religion gfrogt: Cha eim d Religion bi dr Sinnsuechi häufe?

Ig wär e komische Pfarrer, wenn ig hie «nei» gseit hätti.

Und drum han ig «jo» gseit. Und das us vouer Überzügig. Dr Gloube het hie tatsächlech öppis z’biete. Är cha Sinn schtifte und Orientierig gä. Und das nid nume mit sine Inhaute, mit sire Botschaft. Nei, ou d Form vom Gloube cha hie häufe.

Gloube isch schliesslech öppis Läbigs, är bewegt sech, isch im Fluss. Dr Martin Luther het das sehr schön uf e Punkt brocht:

«Das Leben ist nicht ein Frommsein,

sondern ein Frommwerden.» (WA 7, 336)

Gloube isch ke Zueschtang, Gloube isch e Bewegig. Me cha Gott sueche, me darf ne finge. Und mängisch muess me ne ou wider chly lo go. Me cha ne nid konserviere und für sich bhaute. Är ghört nid y ds Museum. Gott isch unverfüegbar. 

Dä Grundsatz, dä schteckt scho y sim Name. Mir hei’s ghört, vorhär y dr Läsig. Dr Mose frogt Gott nach sim Name. Und Gott seit:

«Ich werde sein, der ich sein werde». Ex 3,14

Das isch sy Name. Chly umschtändlech und nid ganz autäglech. Dä Name isch Programm. Es isch dr Name vomene Gott, wo y Bewegig isch und sech veränderet.

Genau so, wi sech ou d Sinnfrog geng wider nöi schtöut – je nach Phase, je nach Situation im Läbe. Me cha di Frog nie abschliessend beantworte.

Es beschteit hier natürlech ou e gwüssi Gfahr. D Gfahr, dass me sech vor luter Veränderig verlürt. Sech geng wider nöi positioniere und aues vo Grund uf überdänke, das isch aschträngend. Wär sech geng wider nöi u d Sinnsuechi macht, wird raschtlos. Es fäut d Rueh, ds Verlässleche. Öppis, wo me sech dran cha orientiere.

Hie cha dr Gloube durchuus e Hüuf sy. Und das vor auem ou inhautlech. Er macht üs es Agebot: ds Agebot vomene Gägenüber. Es Gägenüber, wo verlässlech isch. Wie seit Gott usem Dornbusch use zum Mose?

«Ich werde mit dir sein.» Ex 3,12

Nid meh, aber äbe ou nid weniger. Ig wirde mit dir sy. Und das nid aus exklusives Accessoire, wo me cha ypacke und mit sech umeträge. Nid aus bsungers Äxtra, wo me y aune mügleche Situatione druf cha zrügggryffe und drüber verfüege. Nüt, wo isch, wi’s isch.

Nei, das Gägenüber isch e Gott, wo isch, win är wird sy – wenn är wird sy – und won är wird sy. E Gott im Wandu. Und genau drum, grad wäg dere Wandligsfähigkeit chan är e tröie Gott sy. E Gott, wo sech zäme mit üs bewegt. E Gott, wo mir üs zäme mit ihm chöi bewege. Mängisch harmonisch und mängisch mit Schwirigkeite. Aber ds Agebot schteit: «Ich werde mit dir sein.»

Wi wyt, dass di Wandligsfähigkeit vo Gott cha go, das hei mir ar Wienacht gfyret. Gott isch so beweglech, dass är sogar Mönsch wird. Eine vo üs. Eine wi mir.

E Chünig zwar. Aber äbe chly ne eigete. Eine, wo seit:

«Mein Reich ist nicht von dieser Welt.» Joh 18,36

Drum isch är nid e Chünig, wo herrscht, sondern eine, wo dienet. Gross, wüu är sech chly macht.

Dr Chünig, wo dienet: Da chönnt es Vorbiud sy. Es Vorbiud für ne sinnvoui Art, wi mir üses Läbe chöi gschtaute.

Chünig und Chünigin sy. Das cha bedüte: Üs säuber gärn ha.

Und glychzytig Dienerin und Diener sy. Auso: Für üsi Mitmönsche do sy.

«Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.» Lev 19,18.

So schteit’s im Aute Teschtamänt.

Und so zitiert das Jesus ou im Nöie (z.B. Mt 22,39).

Dr Sinn vom Läbe?

Werum nid? – Zmingscht e sehr guete Vorschlag.

Amen.

 

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